Kolumnenreihe “Vatertage”, Folge 33

Hier – ausnahmesweise mal ganz aktuell –  die „Vatertage“-Folge aus Gießener-Allgemeinen, Wetterauer Zeitung und Alsfelder Allgemeinen von dieser Woche.

Vatertage: Wetterfarbe
„Papa, was ist das eigentlich, ´Wetterfarbe´?, fragt meine siebenjährige Tochter heute Morgen beim Zähneputzen im Bad, während aus dem spritzwassergeschützen Radio HR 3 dudelt. Ich bin stolz auf meine Kleine, da es zeigt, dass man selbst Zweitklässler nicht so einfach für doof verkaufen kann. Ich höre ja wirklich gerne Musik, aber mit dem Morgenradio habe ich – wie heißt es so schön – „keinen Vertrag geschlossen“. Wenn es nach mir ginge, liefe im Bad ein anderer Sender oder am besten gar nichts. Meine Frau und meine kleine Tochter jedoch berufen sich auf eine demokratische Mehrheitsentscheidung. Womöglich bin ich ja ein exotischer Ausnahmefall, aber für mich gibt es nichts Nervigeres, als um 6:05 Uhr von einem hypergutgelaunten Morning-Moderator bequasselt zu werden, umrahmt von einer nochmals verknappten (der ohnehin schon varianzarmen) Musikauswahl. Aktuell scheinen die Radiomacher jedenfalls keine halbe Stunde Morgenprogramm ohne Lost Frequencies, Ed Sheeran, Robin Schulz und Felix Jaehn gestalten zu können. Aber es kommt noch schlimmer. In den letzen Jahren versuchen die Sender im Kampf um die wichtigen Marktanteile, sich durch absurde Neuerungen von der jeweiligen Konkurrenz abzuheben. Diese Konkurrenz trat erstmals 1989 in Erscheinung, als ein privater Radiosender aus Bad Vilbel die hessische Medienlandschaft revolutionierte und Hessen kurzerhand in „FFH-Land“ umtaufte. Seitdem liefern sich die heimischen Anstalten ein Kopf- an-Kopf-Rennen im Erfinden neuer Radioevents. Es begann damit, dass man plötzlich unter das Verlesen der Verkehrsnachrichten hyperaktive Instrumentalmusik legte. Später versuchte man Hörer dadurch an die Welle zu binden, indem man sie im großen Stile dazu aufwiegelte, verkehrserzieherische Maßnahmen der Polizei zu boykottieren, bzw. zu verpetzen („Blitzer-Hotline“). Warum dies erlaubt ist, entsprechende technische Hilfsmittel an Navigationsgeräten oder Handys jedoch nicht, muss mir auch mal jemand schlüssig erklären. Vor ca. 10 Jahren begann man plötzlich damit, seine Hörer jeden Morgen mit semi-hobby-metrologischen Daten sogenannter „Wetterpiloten“ zu traktieren. Ganz ehrlich, mich interessiert es den berühmten feuchten Kehricht, wie viel Grad vor einer Stunde die Rentner-Wetterstation von Hubert Schnackselmann aus Niederdusslingen im Untertaunus anzeigt hat. Offenbar gibt es aber Menschen, die das interessiert, mehr noch, die selbst dreimal am Tag im Sender anrufen, um dort aufs Band zu sprechen, dass es bei ihnen gerade bewölkt ist. Eine neuere „Errungenschaft“ der Radioszene ist die „gefühlte Temperatur“, ein selten dämlicher Ableger der Lifestylediskussion über das „gefühlte Alter“. Sie wissen schon, „die 50-Jährigern sind die neuen 40-jährigen“, usw. Auf das Wetter übertragen bedeutet dies wahrscheinlich, dass Wasser heutzutage schon bei gefühlten 10 Grad Plus zu Eis gefriert. Relativ neu ist auch das Breittreten der Verkehrsmeldungen. Es genügt nicht mehr zu sagen: „Auf der A3 zwischen Offenbach und Frankfurt: zehn Kilometer Stau.“ Nein, heutzutage erfahren wir, dass da ein polnischer LKW – mit einem gebürtigen Slowenen am Steuer – aufgrund einer akuten Übermüdung (private Probleme..) in die Leitplanke „gebrettert“ ist (original Wortwahl HR3), dessen Ladung – mehrere Paletten Steinwolle – nun von der Feuerwehr entsorgt werden muss. Es folgt ein O-Ton-Interview mit dem Einsatzleiter, der die Worte des Radiosprechers noch einmal exakt wiederholt und mit der Information endet, dass die Bergung vermutlich noch etwa zwei Stunden dauern wird. „Wie lange ist das ´in gefühlt´ und wie viel Grad herrschen gerade am Unfallort?“, rufe ich genervt in Richtung Autoradio. Der allerneueste Spleen ist aber nun also – neben der sinnfreien „Stauampel“- die „Wetterfarbe“ und überbietet alles bisher Genannte an Überflüssigkeit um Längen. Sind wenige Wolken am Himmel zu erwarten, ist diese Farbe – welch Überraschung – blau. Ist es trüb und nebelig ist sie – Sie dürfen ruhig mitraten da draußen an den Zeitungen – ja, richtig: grau. Mal im Ernst, der Mehrwert dieser dämlichen Neuerung seiner Tochter auch nur halbwegs plausibel zu erklären, ist eine echte Herausforderung. Da aber weder sie noch meine Frau morgens auf einen anderen Sender wechseln wollen, werde ich mich vermutlich noch gefühlte Jahre über jede noch so dusslige Neuerungen wetterfarbmäßig schwarzärgern. Demokratie kann manchmal ziemlich ätzend sein.

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Kolumnenreihe “Vatertage”, Folge 2

Der gemeine Bücherwurm
Wie sicher einige von Ihnen, haben auch wir daheim ein Haustier. Allerdings keinen Hund, keine Katze, keinen Vogel und auch keine kleinen Nager. Nein, es ist ein ganz spezielles Haustier, das in den letzten Jahren eine beachtliche Metamorphose vollzogen hat. Geboren als normale „Tochter“, hat es sich ab dem fünften Lebensjahr durch beständiges Füttern und gute Pflege zu dem entwickelt, was der lateinaffine Zoologe am ehesten als „liber vermis“ bezeichnen würde, einen gemeinen Bücherwurm. Also „gemein“ nicht im Sinne von „fies“, sondern im Sinne von „herkömmlich“. Wobei exakt dies unser Bücherwurm gerade nicht macht, wenn man ihn ruft, nämlich herkommen. Er registriert es nicht einmal, wenn man ihn aus einem Meter Entfernung ins Ohr brüllt, so tief hat er sich in sein Futter verbissen. Kurzum, er ist zwar anwesend, aber nicht da. Oder umgekehrt. Dass dieses gefräßige Geschöpf überhaupt noch am Leben ist, merken wir elterlichen Herrchen und Frauchen lediglich daran, dass es überall angefutterte oder fertig ausgesaugte Bücher in Küche, Wohnzimmer oder Bad turmhoch gestapelt liegen lässt oder als Trophäe ziellos durchs Haus trägt, wie eine Katze die erlegte Maus. Jaja, jetzt ich höre Sie da draußen an den Zeitungen schon sagen: „Ist doch toll, wenn das Kind gerne liest“. Das stimmt prinzipiell ja auch und ich will hier nicht über die Maßen kokettieren, aber wenn unsere Leseratte pro Woche drei mitteldicke (inhaltlich eher dünne) Teeniebücher für 12,95 Euro das Stück vernichtet und umgehend vehement Nachschub verlangt, dann ist das – auch rein finanziell gesehen – nicht wirklich witzig. Nur gut, dass es in vielen Städten eine Anlaufstelle für diese Art von Abhängigen und deren mitbetroffenen Familien gibt. Gemeint ist das Amsterdam der Buchstaben-Süchtigen, der Drogen-Umschlagplatz für Literatur-Junkies, der Ort, wo legale Geschichten-Dealerinnen Angefixten ehrenamtlich neuen Stoff unter die Nase reiben. Die Rede ist von der guten alten Stadtbibliothek. So wie andere Menschen beim „Lidl Super-Samstag“ die Diskountermilch barrelweise nach Hause schleppen, wuchten wir alle zwei Wochen mehrere hochvoll beladene Leinentaschen aus der Bücherei, mit denen sich unser wortgieriges Haustier sogleich in seinen hermetisch abgeriegelten Bau verzieht. „Willst du nachher nicht mal ein bisschen rausgehen, es ist so schönes Wetter“, schlage ich unserem Buchstabennager drei Tage später vor, als wir uns – eher zufällig – bei der Nahrungsaufnahme der Normalsterblichen, dem Mittagessen, treffen „Wie? Rausgehen?“, fragt der Geschichtenfresser verstört, ohne dabei auch nur für eine Millisekunde das Lesen zu unterbrechen. „Na, eben einfach ´mal raus an die frische Luft“, erläutere ich meinen gutgemeinten Vorschlag und ernte erwartungsgemäß wieder nur verständnislos verdrehte Augen. „Das ist wie Fenster-Aufmachen, nur viel krasser“, versuche ich meiner Tochter den Freiluftevent jugendsprachlich schmackhaft zu machen. Und tatsächlich, es funktioniert. Während sie mit dem einen Auge weiterliest, tastet sie mithilfe des anderen nach der Balkontür und begibt sich ins Freie. Dort legt sie sich nach einem Achteinhalb-Meter-Marathon-Marsch für die nächsten 350 Seiten auf die polsterlose und splitterüberzogene alte Holzliege. Eine kluge Wahl, denn bis zum luxuriösen Wellness-Komfortsofa wären es ja noch sechs weitere, mühsame Meter gewesen. Die alte Holzpritsche ist allerdings so unbequem, dass unsere Tochter alle 50 Seiten unter enormer Anstrengung die Leseposition wechseln muss, um sich nicht wund zu liegen. Dies wiederum stellt für einen trägen Bücherwurm schon ein umfangreiches Sportprogramm dar, wie sie durch ihr theatralisch lautes Ächzen nicht nur uns, sondern auch gleich der gesamten Nachbarschaft eindrucksvoll vermittelt. Trotzdem lächeln meine Frau und ich unsere Tochter zufrieden an. Ich meine, welche Eltern freuen sich nicht, wenn ihr Kind wenigsten alle drei Tage mal so richtig ins Schwitzen kommt.
© Martin Guth, 2015

Roman-Kostprobe Teil 2

Nachdem mein Buch bei HR 1 als Geschenktipp gefeatured wurde/wird, hier  nun Teil 1 des ersten Kapitels zum Reinschmökern.
Noch würde es mit einer Online-Order bis zum 24.12. funktionieren, beim Buchhändler eures Vertrauens ohnehin.
Hier nun aber Jans pikanktes Erlebnis im Stuhllager eines Frankfurter Nobelhotels.

Erstes Kapitel: She works hard for the money

Endlich Pause. Hastig verließen wir die Bühne des Hotels
Steigenberger Frankfurter Hof. Einmal mehr hatten wir
schmatzenden Bankern einen »Dinnermusik-Block« mit
all den Billy Joels, Elton Johns und Frank Sinatras dieser
Welt zu ihrem edlen Hauptgang serviert. Immerhin hatten
wir nun den ödesten Part unseres Jobs hinter uns. Entsprechend
gut gelaunt stürzten wir uns in der Garderobe
auf unser Band-Catering, das zwar ansprechend aussah,
mengenmäßig aber so schwachbrüstig daherkam wie eine
rumänische Bodenturnerin. Unter einer schicken Haube
langweilten sich jeweils vier kleine Gnocchi neben einem
Miniaturstück Wildschweinbraten an einem Hauch von
blanchiertem Wurzelgemüse. »Erst wenn die letzte Crème
brûlée abgefackelt, die letzte Auster geschlürft, das letzte
Huhn geperlt und der letzten Gänseleber das Maul gestopft
ist, werdet ihr merken, dass man von einem Michelin-Stern
nicht satt wird«, schrieb Mark, unser Gitarrist, an diesem
Abend ins Gästebuch des Hotels.
Nachdem ich mich so richtig hungrig gegessen hatte,
musste ich erst mal eine rauchen. Ich lief den kleinen Flur
in Richtung Personaleingang hinunter und schob mir eine
Kippe anzündfertig in den Mund. Plötzlich hörte ich ein Geräusch.
Aus der angelehnten Tür des Stuhllagers quietschte
es in einer rhythmischen Gleichmäßigkeit, die unseren
Schlagzeuger Oli begeistert hätte. Dazu gesellte sich ein
dumpfes Stöhnen, gepaart mit einigen schrillen »Jas« und
»Ohs«. Gepaart … Ich benutze nicht von ungefähr dieses
Wort, denn mir war schnell klar, was da im Stuhllager vor
sich ging.
Vorsichtig schob ich mich durch den schmalen Türspalt
und sah, wie es links hinten in der Ecke zwei Menschen derart
heftig im Stehen trieben, dass die Stuhltürme, an denen
sie lehnten, bedrohlich schwankten. Lautlos machte ich einen
kleinen Schritt nach vorne, um noch besser sehen zu
können. Nee, oder? Das war doch Dr. Juncker, der künftige Vorstandschef
der HESSENBANK. Vor gut einer Stunde hatte
er drüben im großen Saal noch einen Multimedia-Vortrag
über die vielschichtige Neuausrichtung der wichtigsten
Bank Hessens gehalten. Überall lagen Broschüren aus, die
ihn als toughen Geschäftsmann, aber auch als treusorgenden
Familienvater neben aufgesetzt lächelnder Frau und
gequält grinsenden Kindern zeigten.
Aber es gab keinen Zweifel, es war tatsächlich Mr. Finanzstrahlemann,
der gerade in einem schäbigen Lagerraum
seine schneidige Power-Point-Assistentin schnörkellos gegen
die Stuhltürme fusionierte. Die Geräusche wurden lauter,
es war ohren- und augenscheinlich, dass der außereheliche
Stuhllagerakt auf das Ende zuging. Ein Finale furioso.
Mr. Focus-Money gab alles. Sein Chart erreichte den Breakeven,
die Schlussperformance war beachtlich.
Ohne nachzudenken zündete ich mir die Kippe an, um
auf den Punkt genau einen genüsslichen »Zug danach« nehmen
zu können. Dann der Crash.

Fortsetzung folgt…

Roman-Kostprobe Teil 1

Nun beginnt die heiße Phase des Geschenkedilemmas. Ihr sucht also mal wieder verzweifelt ein Geschenk für unten den Baum oder zum Verwichteln? Etwas, das dem Beschenkten ein Lächeln ins Gesicht zaubert? Das Ganze aber bitte für maximal 20 Euro, bequem zu besorgen und auch für Männer leicht einzupacken? Nun, ich hätte da einen Vorschlag:
Wie wäre es mit meinem  frisch erschienenen Roman
„Meine Frau, ihr Mann und ich“?
Der kostet 17,99, ist bei Amazon
(oder in jeder Buchhandlung  ISBN 978-3-359-02478-1 )
bestellbar, dazu stabil rechteckig und daher leichtEULE_Guth_MeineFrauihrMannundich_Cover in Papier einzuschlagen.
Und ich wette mal darauf, dass es dem damit Bedachten nicht nur ein kurzes Auspack-Lächeln auf die Lippen zaubert, sondern über 350 Seiten lang immer wieder.  Wer nicht gern die Katze im Weihnachtssack kauft, kann hier in den nächsten Tagen ein Stück hineinlesen.
Heute das kurze Intro des Buches. Echte Literaten nennen das „Prolog“, aber da alle Kapitel des Buches mit bekannten Songzitaten betitelt sind, fand ich „Intro“ irgendwie stimmiger.

Intro
Über fünfzehn Jahre lang hat Heike das getan, was Frauen
wirklich gut können: ihren Ehemann verbiegen, sich ihn
zurechtkneten und irgendwie passend machen. In unscheinbaren
und jederzeit bekömmlichen Dosen infiltrieren
die Frauen uns Männer, ohne dass wir auch nur einen
Hauch davon mitbekommen. Mehr noch, sie agieren dabei
so geschickt, dass wir unsere Eigenmutation am Ende sogar
noch gut finden.
Ich war immer stolz, wenn Heike ihren Freundinnen erzählte,
was für einen modernen Mann sie doch hat, der sie
bekocht, für die Kinder da ist und im Haushalt mithilft. Und
es stimmte ja auch. Aus dem einst rebellischen Musiker-
Freigeist und Scirocco-fahrenden Vorstadtcasanova war ein
familienorientierter und herzenstreuer Frauenversteher mit
Minivan geworden.
»Du bist der einzige Mucker, den ich kenne, der auch
Gleichstellungsbeauftragter sein könnte«, hatte unser Gitarrist
Mark mal gesagt, als ich mich auf dem Weg zu einem
Auftritt aus purer Gewohnheit an der Autobahn zum Pinkeln
auf einen bemoosten Baumstumpf hockte.
Es war mir völlig egal, dass mich meine Mit-Musiker für
einen langweiligen Spießer hielten, denn ich hatte meinen
Platz an Heikes Seite gefunden und war meilenweit davon
entfernt, ihn jemals wieder zu verlassen. Alles war gut, so
wie es war. Jedenfalls bis zu jenem Abend, an dem ein muskelbepacktes
Testosteron-Terrorkommando in mein massiv gebautes
Beziehungshochhaus donnerte und mir meinen persönlichen
Nine-Eleven bescherte. Danach war nichts mehr
wie zuvor.

Kolumnenreihe „Vatertage“, Folge 1

Spuren von Nüssen
Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber mir gibt das tägliche familiäre Leben immer wieder neue Rätsel auf. Ein besonders faszinierender Bereich ist dabei für mich das Thema Ernährung. Vor allem deswegen, weil sich dort seit meiner Jugend extrem viel verändert hat. Oder hatte einer ihrer damaligen Spielkameraden eine Laktoseunverträglichkeit oder eine Kuhmilchallergie? Keinem meiner Freunde schwoll nach dem Verzehr von Erdbeeren die Zunge anschließend zu einem Hefekloß. Ich bin mir sicher in den Fünfziger- oder Sechzigerjahren hätten die meisten Menschen den Begriff Gluten für die Mehrzahl einer im Ofen schlummernden Glut gehalten. Das einzige unter dem ich als Kind litt, war eine Ohrfeigenunverträglichkeit und eine heftige Zimmer-Aufräum-Allergie. Wenn Sie aber heute einen Kindergeburtstag feiern, müssen sie erst mal einen ausgeklügelten Ernährungsplan aufstellen, der alle allergischen, aber auch religiösen Ernährungsrisiken ausschaltet. Also kaufen Sie für Jasmin-Kimberly Vollkornnudeln, für Ayla ungeschächtetes Rinderhack und für Leon laktosefreie Sahne. Larissa darf keinen Apfelsaft, Joschi auf keinen Fall Ananas und Karl-Friedrich noch keinen Raffineriezucker, denn den bekommt er „aus politischen Gründen frühestens mit 12“, erklärt seine Glucken-Mutter, während schon der nächste besorgte Vater auf mich einredet: „Ach übrigens, Jessie darf nicht raus, wenn Birke, Eibe oder Esche fliegen. Und auf keinen Fall darf sie ohne Unterlage auf Teppichböden sitzen, es sei denn, die sind vorher von einem Spezialunternehmen allergisch grundgereinigt worden. Behandeltes Laminat habt ihr ja nicht verlegt, oder? Davon bekommt Jessie immer einen fiesen Ausschlag und für die Umwelt ist es ohne der Super-Gau“, flötet Jessies Papa, lässt den Motor seines 17- Liter- schluckenden Off-Road-Schlittens aufjaulen und brettert davon, so dass sich einen spontanen Ekel-Ausschlag bekomme. Nicht raus? Kein Laminat? Und kein Teppichboden? Herzlich Willkommen Jessie und viel Spaß die nächsten dreieinhalb Stunden alleine im Badezimmer. Aber gut, alles kein Problem, jeder, wie er will. Das bringt uns kindergeburtstagserprobten Eltern doch nicht aus der Fassung. Dann aber kommt Madison-Marianne, deren Mutter uns klarmacht, dass ihr Sonnenschein unter einer extremen Nussallergie leidet (als wäre der Vorname nicht schon Strafe genug). Nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem Sie als Eltern eine mittlere Panikattacke bekommen dürfen. Vor allem dann, wenn Sie erfahren, dass Madison-Marianne deswegen schon viermal nur äußerst knapp Gevatter Sensenmann von der Klinge gesprungen ist. Natürlich wissen wir um die Gefahr und wo sich laut Herstellerangaben überall „Spuren von Nüssen“ befinden können. Auf dem Erdbeerjoghurt steht es drauf, auf der Tiefkühlpizza, auf den Mais-Cornflakes, auf der Tafel weißer Schokolade, der Fertigsoße und den Fischstäbchen. Auch Milchmixgetränke und Kakaopulver können „Spuren von Nüssen“ enthalten. Letzteres überrascht auf der Verpackung aber noch mit einem weiteren Warnhinweis: „Kann Spuren von Milch enthalten“, steht da kleingedruckt auf der Pulverpackung. Ja und? Wo ist das Problem? Ich bereite die heiße Schokolade für meine Kinder ohnehin stets mit Orangesaft zu. Milch kommt mir da nicht in den Kakao. Egal. Sie fragen sich, was es auf dem Geburtstag für die Kinder dann letztendlich zu Essen gab? Einen linksdrehenden Tofu-Joghurt aus heimischen Biokulturen, zweifach gefiltertes stilles Wasser aus Lourdes und als besonderes Schmankerl ein fair-gehandeltes Bio-Traubenzuckerplättchen aus der Apotheke. Für den leider erst elf Jahre alten Karl-Friedrich gab es alternativ einen Löffel Soja-Honig. Meine Frau und ich haben dann am späten Abend die unberührte Sahnetorte und die Großpackung Backofen-Pommes samt den Wiener Würstchen gegessen. Was man nicht alles macht, um seine Kinder zu behüten. Am noch späteren Abend fanden wir dann in unserem Badezimmer „Spuren von Larissa“, die wir dort völlig vergessen hatten, deren Eltern aber das omniallergische Kind offenbar auch noch nicht vermisst hatten. Warum auch? Übrigens: diese Zeilen können Spuren von Ironie, Satire oder gar Zynismus enthalten. Ich hoffe, Sie sind dagegen nicht allergisch.
© Martin Guth, 2015

Los geht´s

Wie heißt es eigentlichlich korrekt? Willkommen in/bei/über/unter/auf oder zu meinem Blog?  Zu doof, dass ich in Grammatik ziemlich imperfekt bin und mich daher gerade in einer ziemlichen blöden Präposition befinde.
Wie dem auch sei, ab sofort findet ihr hier Sinniges und Unsinnges aus meiner Kabarett- und Kolumnenfeder. Vor allem einige meiner satirischen „Vatertage“,  eine Kolumnenreihe, die seit diesem Sommer wöchentlich in der Wetterauer Zeitung, der Gießener Allgemeinen und der Alsfelder Allgemeinen zu lesen ist und deren besten Exemplare ich liebend gerne Land auf, Land ab  im Rahmen szenischer und musikalischer Leseshows zum Besten gebe. (Programm“Satirisch Guth“, u.a. am 09.01 16 im „Theater hinterm Ofen“ in Butzbach oder am 13.02. im „Theater am Park“ in Bad Nauheim)
. Ab einem einigermaßen anständigen dreistelligen Betrag kann man mich aber auch gerne in alle anderen lauschigen Theater, Bibliotheken, Büchereien oder wo sonst heutzutage überall noch Kultur stattfindet, einladen. Auf  dass ich lese, singe und spiele was das Zeug hält und unter Beweis stellen kann, dass 20 Jahre Bühnenerfahrung als Kabarettist (im Duo „FaberhaftGuth“ uns solo), Songwriter, Moderator und seit neuestem auch  Romanautor („Meine Frau, ihr Mann und ich, Eulenspiegelverlag, Berlin Sep. 2015) nicht spurlos an mir vorbeigegangen sind.
Damit klar ist, von was wir reden, alsbald an dieser Stelle Folge 1 meiner „Vatertage“.

Kommentarbikd_guth
Vatertage Bild